Neue Musik und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
„Die besondere Aufgabe des Rundfunks und seiner Orchester ist, neue Musik zu spielen und zu unterstützen.“
Vladimir M. Jurowski, Chefdirigent und künstlerischer Leiter des RSB
Die fruchtbare Zusammenarbeit mit großartigen Persönlichkeiten im Studio und im Konzertsaal, sowie die besonderen stilistischen und ästhetischen Ausrichtungen der Weimarer Republik prägen die DNA des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin nachhaltig.
Namhafte Vertreter der Avantgarde in der Musik bringen ihre Werke mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu Gehör. Komponisten wie Arnold Schönberg, Richard Strauss, Igor Stravinsky, Bela Bartok, Kurt Weill oder Hanns Eisler u.v.a. dirigieren ihre eigenen Werke.
Die erste „Stunde der Lebenden“ bzw. die „Musik der Gegenwart“ findet schon am 1. Oktober 1925 statt. Komponisten können hier ihre eigenen Werke gemeinsam mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin „live“, sozusagen aus erster Hand zu Gehör bringen und der Nachwelt zugänglich und mit dem neuen Medium Radio nachhaltig abrufbar machen. Im wöchentlichen Wechsel werden entweder moderne, lebende Komponisten oder lebende Autoren vorgestellt
Dazu gehören auch Komponisten wie Paul Hindemith, Alfredo Casella, Werner Egk, Arthur Honegger, Darius Milhaud, Hans Pfitzner, Franz Schreker, Alexander Zemlinsky, Paul Dessau ebenso wie in jüngerer Zeit Krzysztof Penderecki, Peter Maxwell Davies, Friedrich Goldmann, Berthold Goldschmidt, Siegfried Matthus, Wolfgang Rihm, Hans Werner Henze, Udo Zimmermann, Thomas Adès, Fabrice Bollon, Steffen Schleiermacher, Siegfried Matthus, Matthias Pintscher, Leif Segerstam u.v.a.m.



Diese spezifischen Reihen wie „Stunde der Lebenden“ und „Musik der Gegenwart“ – fortgesetzt als „Europäische Musik des 20. Jahrhunderts“, „Werkstatt DeutschlandRadio live“ oder das „Festival für Neue Musik-Ultraschall“ – wurden zu vielbeachteten Podien der Musik des 20./21. Jahrhunderts.
Der Musikpädagoge, Politiker und Publizist Leo Kestenberg und spätere Musikreferent des preußischen Kultusministeriums in der Weimarer Republik (1918-1932) fördert in den „goldenen 20er Jahren“ die musikalische Avantgarde und beruft Komponisten wie Schreker, Pfitzner, Busoni, Hindemith oder Schönberg für leitende Positionen in Berlin.
Leo Kestenberg kommt vor allem auf dem Gebiet der Kinder-und Breitenförderung von Schul-und Musikausbildung eine ganz besondere Bedeutung zu. Er schafft mit seiner „Kestenbergreform“ die Grundlagen für einen, erstmals an Kindergärten, Volksschulen und höheren Schulen eingeführten geregelten, staatlich geprüften Musikunterricht.
Für das Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin ist die Auseinandersetzung mit neuen musikalischen Möglichkeiten zur Zeit der DDR ebenso fester Bestandteil des Konzertrepertoires wie in anderen deutschen Rundfunk-Orchestern auch. Insgesamt wird in der DDR moderner, zeitgenössischer Musik wesentlich mehr Raum gegeben als es z.B. für bundesrepublikanische Orchester zu dieser Zeit der Fall ist. (Jutta Allmendinger; „Staatskultur und Marktkultur“)
Es entstehen viele Einspielungen und Uraufführungen von Werken neuer Komponisten darunter Paul Dessau, Hanns Eisler, Ottmar Gerster, Dmitri Schostakowitsch, Leo Spies, Kr. Penderecki, H.W.Henze…..


Einen besonderen Stellenwert nehmen hierbei die Aufnahmen des RSB mit Helmut Koch und den Chefdirigenten Rolf Kleinert und Heinz Rögner ein.
Das Label Denon gilt schon in den 80er Jahren zu Recht als wegweisend für die künftige Entwicklung. Durch die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Chefdirigenten des RSB Heinz Rögner und dem Label Denon wird ein frühzeitiger Übergang zur digitalen Aufnahmetechnik bei Eterna möglich und führt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mit Beethoven, Brahms und Bruckner unter seinem Chefdirigenten und z.T. mit dem Rundfunkchor Berlin zu Konzerttourneen regelmäßig durch Japan.
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin hatte seit 1956 bis zum Fall der Mauer seinen Sitz in der Nalepastraße. Im Großen Sendesaal des Funkhauses und in der Jesus-Christus-Kirche in Oberschöneweide entstehen eine Vielzahl neuer Tondokumente. Hier werden bis zum Anfang der 60er Jahre Schellackplatten hergestellt, Schallfolien, Tonpostkarten, Magnetbandkassetten, vor allem Vinylschallplatten für den VEB Deutsche Schallplatten „Eterna“, das Klassiklabel in der DDR und natürlich Produktionen für den Berliner Rundfunk.
Nach dem Fall der Berliner Mauer führt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin diese Tradition mit seinen Chefdirigenten Rafael Frühbeck de Burgos, Marek Janowski und Vladimir Jurowski erfolgreich fort.